Lag baOmer 5777 / 14.05.2017 / 18. Iyar 5777

Das Wetter war noch nicht so richtig frühlingshaft, als wir uns gegen 14 Uhr an der Remise in Gatow trafen. Die Sonne schien, ein wenig wärmer wurde es auch, aber es hingen drohende Wolken am Firmament.

Die Ohelistas kamen jedoch reichlich und mit vielen Kindern – heute war Lag baOmer, wir wollten unser Feld vorbereiten und pflanzen, den 33. Omer feiern und Rabbi Schimon Ben Joachais Todestag am 18.Ijar begehen.

 ging es auf das Feld, auf dem sich bedingt durch die Kühle und den langen Winter noch alles in sehr ursprünglichem Zustand befand. Es hieß also, erstmal alles in Augenschein zu nehmen, einen „Plan“ zu machen, aber dann auch: Beikraut jäten, Hochbeete vorzubereiten, Bäume vor dem Zuwachsen schützen. Alle packten kräftig zu, Jonathan war ein eifriger Einsammler der herausgerupften unerwünschten Pflanzen, die anderen Kinder kümmerten sich liebevoll um die Bäume und Samuel und Aaron machten sich über die Hochbeete her, damit Jonathan nicht die Arbeit ausgehen konnte.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Natürlich arbeiteten auch die Erwachsenen und Eltern tatkräftig mit, es war viel zu tun! Nur Anpflanzen ließ sich noch nichts, denn es stehen noch ein paar kühle Nächte und Tage bevor und deshalb mussten wir das erstmal verschieben.

Jalda erzählte allen, was es mit diesem Tag auf sich hat: von der Krankheit, die die Schüler des Rabbi Akiba ben Josef dahinraffte (und tatsächlich durch die kriegerischen Auseinandersetzung mit der römischen Besatzungsmacht im Bar Kochba Aufstand zusammenhing), und schlagartig an diesem Tag ein Ende fand, von der Mitzwa des Omerzählens zwischen Pessach und Schawuot, den 7 mal 7 Tagen, von Rabbi Ben Joachai, der mit seinem Sohn zwölf Jahre versteckt in einer Höhle lebte und der als Autor des Zohar, dem wichtigsten Werk der jüdischen Mystik, gilt. Rabbi Ben Jochai hat dieses Wissen mündlich weitergegeben. Der Zohar heißt auch Midrasch de Rabbi ben Jochai. Die ersten schriftlichen Nachweise finden wir erst Ende des 13. Jahrhunderts in Spanien. Moses de Leon brachte dieses Werk in die Welt.  Manche meinen, er sei der eigentliche Autor.

Auch die Frage, wieso es ausgerechnet der 33. Tag des Omerzählens ist, konnte Jalda mit ihrer persönlichen Auslegung erklären: zu Pessach ernten wir die Gerste und der Weizen wird gepflanzt. Schawuot ist der Beginn der Weizenernte. Erst einige Wochen nach dem Säen konnte festgestellt werden, ob das Korn tatsächlich fruchtbar war und die Ähren entsprechend mit Korn gefüllt – oder ob nicht eine Mißernte bevorstand.

Zurück ging es dann unter fröhlichem Geschnatter und Erzählen. In der Remise wartete auf uns ein leckeres Essen, eine köstliche Spargelsuppe, Salat und ganz viel Kuchen. Höhepunkt war sicher auch, dass das Feuer zu Ehren Rabbis Joachais von Anna mit Feuerstein und Zunder entfacht wurde – aller Skepsis manch eines Erwachsenen zum Trotz, denn Anna ist auch darin eine ganz besondere Meisterin.

Rita hatte extra für die Kinder Teig vorbereitet und mit Eifer standen alle um die Glut und buken ihre Stockbrote.

Es war ein ruhiger, ein besonderer Tag, nah dran an der Natur, an dem, was Ursprung und Quelle unseres Daseins ist. Unsere „green shul“ verstärkt die Verbindung zu diesem Ursprung und wir alle tragen damit zu Tikkun Olam bei.

Text: Esther Trapp

Fotos: Anna Adam / Esther Trapp

Pessach-Seder 5777 / 11.4.2017 / 16. Nissan 5777

Wie im letzten Jahr trafen wir uns im schönen, großen Saal des Nachbarschaftshauses am Lietzensee. Die lange, geschmückte und gedeckte Tafel erwartete dort die Ohelistas mit ihren Familien, ihren Kindern, den Freunden. Viele alte und neue Bekannte fanden sich wieder, viel zu selten können sich alle treffen. Der Pessachseder führte die Ohel-Familie zusammen!

Jalda als unsere Kantorin führte uns mit Freude, mit ganz viel Liebe, mit Liedern und ihrer schönen Stimme durch die Haggadah. Wir lasen in drei verschiedenen Sprachen: Hebräisch, Deutsch, Englisch.  Dabei hielten wir immer wieder in der Erzählung inne, stellten Fragen, diskutierten. Rabbi Jill Hammer und Shoshana Jedwab aus New York waren als Special Guests dabei und bereicherten nicht nur die Diskussion, sondern Jalda erklärte Shoshana zu der Drummerin auf die sie schon seit Jahren wartet.

Mitzrajim, der enge Ort. Der Auszug ein immerwährender Weg. Die Geschichte, die wir erzählen, ke ilu als ob wir selbst dabei waren.

Das Festmahl war überwältigend: Anna und ihre zahlreichen Helfenden hatten mit viel Zeit und Energie ein umwerfendes Menü vorbereitet, gekocht, transportiert und aufgebaut.

Die großen und kleinen Kinder erkundeten vorsichtig, wo es vielleicht auch eine Spiel- und geben könnte – und machten sich eifrig daran, den Afikoman zu suchen und unter großen Jubeln auch zu finden….

Am Ende zählten wir den ersten Omer und Rabbi Jill Hammer stellte uns aus ihrem Buch

The Omer Calender of biblical women die erste, die Schechina vor.

Ganz herzlichen Dank an alle Helfer, die tatkräftig und unaufgeregt dafür gesorgt haben, dass alles vorbereitet und geschmückt war. Ein besonders großes Lob vor allem jenen, die nach dem Seder noch mithalfen, aufzuräumen, abzubauen, abzuwaschen und auszufegen.

Nächstes Jahr in Jerusalem!  Oder doch wieder in Berlin ?

Text: Esther Trapp               Photos: Anna Adam

Simchat Bat - BabyNaming / 25.3.2017 / 27. Adar 5777

An diesem Tag versammelten sich wir und viele Familienangehörige um ein berührendes und aufregendes Ereignis zu feiern: Simchat Bat! Willkommen eines Mädchens in der Gemeinde.

Aus Nah und von Übersee war die Familie gekommen, um dieses Fest gemeinsam zu begehen. Wahrscheinlich waren die Eltern aufgeregter als alle zusammen - ganz im Gegensatz zu ihrer Tochter, der das alles so gar nichts ausmachte und die wohlig und zufrieden, neugierig und wach die Aufmerksamkeit genoß.

Es war ein ergreifendes Bild, ein Moment intensiver Begenung, diese neue Leben zu spüren und es willkommen zu heißen in dieser Welt, in unserer Gemeinschaft. Die Anwesenheit Gottes spiegelt sich in der Anwesenheit der Menschen und wir alle spürten dies, Die Chuppa spannte sich über das neugeborene Kind, die Thora bot ihr Schutz und Heimat, ihr Ort, Makom. Die besten Wünsche aller sollen sie begleiten Ad mea w´essrim, bis 120 Jahr. 

Beim anschließenden Kiddusch wurde gelacht und genossen, wurden Geschichten erzählt. Die kleine Neta Rose bat Bina w´Leah hat uns alle zusammengeführt.

Test: Esther Trapp - Fotos: Anna Adam

Purim 5777 / 11.3.2017 / 13. Adar 5777

Es war schon fast dunkel, als sich in einer Galaxie zwischen zwei Spiralarmen auf Position 30°MZPerX12‘5 in einem Sonnensystem mit 8 Planeten auf dem 3. dieser Planeten eine kleine Gemeinschaft zusammenfand, um an ein Ereignis von vor langer Zeit zu denken: Purim!

Leider fehlten dieses Mal aus unterschiedlichen Gründen einige liebe Gesichter - besonders Etha wurde sehr vermisst!

Zuerst wurden die traditionellen und leckeren Hamantaschen gebacken: Süss, marmeladig, lecker aber auch herzhaft – Anna hatte Teig und Zutaten super toll vorbereitet und schnell hatten die Bäcker_innen verstanden, wie sich die bekannte Form herstellen ließ.

Jalda leitete durch das Abendgebet und die Lesung der Megilla, führte uns durch Lieder und Texte. Jona Kirchners köstliche science fiction Spritztour durch die Megilla wurde reihum gelesen und alle schüttelten begeistert ihre diversen Krachmacher - Haman wurde kräftig ausgebuht.

Ein wenig diskutierten wir über die Bedeutung dieser Erzählung, die Rolle von Esther, aber auch Mordechai und Haman – bei aller Anerkennung und Bewunderung fordert uns die Figur der Esther in der Megilla zur Diskussion um ein modernes Frauenbild heraus.

Wir ließen das Fest im traditionellen Ohel-Stil mit einem herzhaften und gesunden, vegetarischen potluck und guten Gesprächen sowie reichlich Gelächter um unseren grossen Tisch ausklingen, ja auch dem Alkohol wurde da ganz gut zugesprochen….

Die abschliessende Hawdala beendete den Abend, leitete in die neue Woche über und froh und beschwingt brachen alle wieder auf.

Text: Esther Trapp

Fotos: Anna Adam

Tu biSchwat 5777 / 12.2.2017 / 16. Shvat 5777

am Shabbat, den 12. Februar 2017 feierten wir am späten Nachmittag in der Remise des Gutshofs Gatow  den Tu biSchwat, das Neujahrsfest der Bäume. In Jerusalem herrschte an diesem Tag eine Durchschnittstemperatur von 13 °C, bei uns klirrende Kälte. Da man bei diesen Wetterbedingungen in unseren Breitengraden im Februar keine Bäume pflanzen kann, haben wir uns bei Ohel Hachidusch seit einigen Jahren ein besonderes  Ritual ausgedacht: wir treffen uns in der gut geheizten Remise des Gutshofs, genießen Ritas leckere Gemüsesuppe und hausgemachten Kuchen sowie unsere mitgebrachten Speisen, dieses Mal mit Betonung auf den Früchten des Landes.  Danach pflanzen unsere Kinder Kürbis-und andere geeignete Samen in Blumentöpfe. Im Frühling werden die Setzlinge dann in unsere Green Shul bzw. in Ritas Garten der Weltreligionen umgepflanzt, um dann Sukkot geerntet zu werden. Ein besonders schöner Hokkaido Kürbis wird dann über offenem Feuer zu einer leckeren Gemüsesuppe verarbeitet, die wir gemeinsam genießen. Es ist wunderbar, wenn Stadtkinder, so den Rhythmus von Mutter Erde und dem jüdischen Kalenders erfahren.

Dieses Jahr hat sich Rita noch eine ganz besondere Überraschung ausgedacht: Sie hat die Kerne eines Hokkaido Kürbisses vom letzten Jahr aufgehoben und getrocknet. Genau  diese Kerne haben die Kinder auf unserer diesjährigen Feier eingepflanzt. Es war rührend zu beobachten, mit welcher Andacht und Vorsicht die kleinen Kinder die winzigen Samen in die Erde des Blumentopfes legten und ihnen eine Bracha, einen Segensspruch gaben.  Auch uns Erwachsenen hat diese kleine Feier  die Unendlichkeit des Kreislaufs der Natur wieder vor Augen geführt. Zu Sukkot 5778 beginnt dann wieder ein neuer Zyklus.

Als besonderes Highlight hat sich Rita noch ein kleines Geschenk für alle Anwesenden ausgedacht: Sie packte die übrigen Kürbissamen vom vergangenen Sukkot in hübsche kleine Tüten. Jede(r) dürfte sich eine aussuchen und mit nach Hause nehmen. Nun werden die Kürbisse  im Frühling auch auf unseren Balkons und in unseren Gärten wachsen und uns an Sukkot und Tu biSchwat erinnern und die Verbundenheit mit unserer jahrtausendealten Religion und der Natur stärken. Ein kleiner Beitrag zu Tikkun Olam.

Zum Abschluss unserer Feier besuchten wir alle noch die  Birke im Garten hinter der Remise. In manchen Jahren, wenn es draußen sehr still ist, hört man schon vor Beginn des Frühlings, wie die Säfte im Stamm des Baumes aufsteigen und ihm neue Lebenskraft geben. Dieses Jahr haben wir leider noch nichts gehört, der Boden war jedoch auch noch sehr tief gefroren. Da müssen wir uns noch ein wenig gedulden.  Aber die Kinder hatten bessere Ohren. Sie hörten wie der Saft der Birke aufsteigt. 

Ganz am Schluss als es schon lange dunkel war kam auch noch wie selbstverständlich ein Fuchs vorbeispaziert. Aus Angst um die Hühner des Gutshofes haben die Kinder ihn schnell verscheucht.

Wie immer danken wir Rita und Ulli von ganzem Herzen für ihre Gastfreundschaft und das Engagement, mit dem sie unsere Feste bereichern und an ihnen teilhaben.

Text: Etha Jimenez

Chanukka 5777 / 30.12.2016 / 1. Tevet 5777

Fernab vom Großstadttrubel versammelten sich die Ohelistas und ihre Freunde und Familien in der Remise in Gatow. Der große eiserne Offen bullerte beruhigend warm und hell, der ganze Raum war in dämmriges Licht gehüllt, trotz schon winterlichem Wetter war es wohlig warm.

Nach und nach trafen alle ein: Große und Kleine, viele Kinder mit selbstgebauten Chanukkiot, die Erwachsenen mit den Chanukkias, die sie vielleicht von ihrer Mutter, ihrem Vater, anderen Verwandten zu treuen Händen als Tradition mitgegeben bekamen.

Schön auch, dass die „Tempelband“ Lieder vorbereitet hatte und die fotokopierten Texte verteilte, damit alle mitsingen konnten. Als Jalda die Feier begann, war der Raum gut gefüllt mit erwartungsfrohen Gesichtern – und es kamen immer noch weitere dazu.

Die spannende Frage war, welche Kerzen müssen zuerst gezündet werden? Denn es war ja auch Schabbatbeginn und so richtig sicher war sich niemand mit der Antwort….. Aber dann die Auflösung: Natürlich zuerst die Chanukkalichter, dann die Schabbat-Kerzen, denn an Schabbat darf nicht gearbeitet, darf keine Kerze angezündet werden. Und als das geklärt war, ließen sich vor allem die Kinder nicht mehr aufhalten – sie wollten endlich ihre schönen Chanukkiot leuchten sehen!

Doch halt! Von welche Seite werden die Kerzen angezündet? Von links nach rechts? Umgekehrt? Die neueste Kerze zuerst? Was ist mit der neunten Kerze? Welche Brachot sind zu sprechen? Diesmal ließ uns Jalda nicht zu lange im Ungewissen, erklärte die Aufgabe des „Schamasch“ und es war schnell klar:  von links nach rechts, die „neueste“ Kerze beginnt.

Ja und dann gab es die Chanukkageschichte: vom Kampf gegen die Besatzer, deren Verbot, jüdisch zu leben, die Gesetze einzuhalten, die Feste zu feiern, die Gedenktage zu begehen, den Tempel zu besuchen. Von den Tricks, doch den Unterricht in der Jeschiwa weiterzuführen. Zur Tarnung das Treideln als Spiel, falls eine Kontrolle erfolgt. Wir hörten von den starken Frauen im Widerstand, in diesem Untergrund- und Partisanenkampf, wie jeder Krieg häßlich und grausam, aber gerade dieser auch unvermeidbar. Und von der Rolle der Frauen, die aktiv Seite an Seite und auf Augenhöhe mit den Männern diesen Kampf führten.

Und natürlich das Wichtigste: der Sieg und Erfolg, die Vertreibung und der Abzug; die Neueinweihung des Tempels, die aber schon fast ein Neubau war, so sehr war er geschändet und entweiht geworden. Und dann die scheinbare Unmöglichkeit, dass der Leuchter im Tempel so lange brannte, bis neues , geweihtes Öl produziert worden war – 8 Tage lange, obwohl der kümmerliche Rest, der noch vorhanden war, höchsten für einen Tag reichen konnte.

Auch über den scheinbaren Zusammenhang von Weihnachten und Chanukka, die oberflächlichen Ähnlichkeiten, über die tatsächlich aber vorhandenen gravierenden Unterschiede und die nicht-Vergleichbarkeit wurde diskutiert und gesprochen.

Alle hatten sich um die zahlreich brennenden Chanukkaleuchter versammelt und hörten gebannt zu. Es ist ein Fest des Lichts, der Freude ja, aber wie so viele unserer Feste auch eines, das aus Not und Verfolgung entstand und neben Lust und Schönheit auch einen ernsthaften, einen nachdenklichen Moment inne hat.

Natürlich gehört zu jedem jüdischen Fest ein leckeres und ausführliches Essen – auch diesmal wieder gekrönt von einer köstlichen Suppe, die Rita uns gekocht hatte und vielen anderen Sachen, die mitgebracht worden waren. Nicht zu vergessen der Austausch aller unter einander, denn viel zu selten besteht die Möglichkeit, sich in diesem großen Kreis zu treffen.

Die Tempelband sorgte für Stimmung mit Liedern zum Mitsingen und so ging ein wundervoll heller leuchtender Abend zu Ende. Le Chaim!

Text: Esther Trapp                 Fotos: Anna Adam / Esther Trapp

Sukkot 5777 / Oktober 2016 / Tischrei 5777

Wie schon zu vielen schönen Sukkot-Festen zuvor, baute Anna mit fachkundiger Hand und geschickten Helfern in Ritas Garten das Gerüst der Sukkah aus alten ausgedienten Holzpaletten und Latten.  Die Ohelistas kamen nach und nach herbei und wurden schon im Herannahen vom wunderbaren Geruch des Holzfeuers in Ritas und Ulis Hof der Gatower Remise festlich bezaubert. Jalda zog mit den Kindern und allerlei Volks von Ohel Hachidusch zum Feld, um dieses mit begeisterten Kindern und Erwachsenen abzuernten, damit es der Sukkah zum Schmuck und unserem Erntefest zur Freude diene. Viele schöne Kürbisse, Quitten, aber auch Strauchwerk für das Dach der Hütte vom Kürbis waren noch auf dem Feld zu finden. Nicht zuletzt Karotten, Zwiebeln, Mangold und Fenchel, wie auch unser prächtiges Salbeibeet zum Erntesegen beitrug. Und richtig, Anna baute mit den Helfern und schmückte mit den Kindern die schönste Sukkah, die Ohel Hachidusch je hatte.
 
  
  
   

Und bestimmt die einzige in Berlin, die einen Granatapfelbaum mit Früchten am Eingang hatte.
Dieser, liebevoll von Rita Reinicke im Botanicum gehegt, wurde uns eigens für die Sukkah geliehen. Die Frucht wird mehrfach in der Torah erwähnt. Der Granatapfel soll 248 Kerne haben,  genauso viel wie die positiven Mitzwot.  Mit seinen vielen edelsteinfarbenen Fruchtkernen ist er zuerst ein Symbol für die Einheit in der Vielheit, für Fülle und für schöpferische Gestaltungskraft, für Erneuerung und Fruchtbarkeit.

                                           

Aber bevor es zum Kiddusch in unserer Sukkah und dem anschließenden Essen in Rita und Uli Reinickes herbstlich geschmückter Remise geht, ein kleiner Exkurs:  
Kein jüdischer Feiertag ist beliebter unter amerikanischen und israelischen Umweltschützern als Sukkot. Mit seinen landwirtschaftlichen Wurzeln und seinem Gebot, verbundener zur Natur für eine Woche in provisorischen Hütten  zu wohnen, ist Sukkot das sine qua non von jüdischem Umweltschutz. Was ist schöner als unter dem zu verweilen, was selbst angebaut wurde? Essen, trinken und zu feiern,  unter  jahreszeitlich entsprechenden Früchten, die von den Dachsparren der Sukkah hängen?
Wir produzieren jedes Jahr einen massiven Co2-Fußabdruck, wenn wir aus Sukkot ein Fest des Überflusses machen statt seiner Botschaft, nachhaltiger zu leben und mehr in Übereinstimmung mit den Jahreszeiten zu folgen. Wir sprechen hier auch über Lulav und Etrog, die Palmzweige, Myrte, Bachweide und dem Feststrauß. Sie werden aus Israel eingeflogen und en masse verschickt an Jüdische Gemeinden, die keine Palmenbäume oder Etrog-Haine wachsen lassen können, überall dorthin, wo es Winter gibt. Die Mitzwah der arba mimin, das Gebot des Nutzens und Schüttelns der vier Arten, das für Sukkot erforderlich ist, wurde abgefasst in einer Zeit und an einem Ort, wo diese vier Arten alltäglich waren, regional und erneuerbar. Maimonides schrieb Hilchot Sukkah, in welchen er das Gebot für Etrog und Lulav erläuterte, in Ägypten, wo Etrog, Palmenbaum, Bachweide und Myrthenbätter zu finden waren wie eine gute Tasse Kaffee in Rom heutzutage.
Umringt von den Kindern steht Jalda im Inneren der wunderschönen Sukkah und fragt die Kinder: „…könnt ihr durch das Dach den Himmel sehen?“ Ond als diese bejahen, erklärt Jalda die Sukkah für koscher und sagt mit ihrer schönen Stimme den Kiddusch.

 

Und so erinnerte uns Jalda beim Essen noch an die allen Juden bekannte Tradition, nach der Rabbi Jochanaan sagte: Man schwenkt den Lulaw zur Ehre G'ttes hin und her, denn G'tt gehören die vier Himmelsrichtungen; man hält ihn zur Ehre G'ttes nach oben und unten, denn G'tt gehört der Himmel und die Erde. Wie die Zitrusfrucht sowohl Geschmack habe als auch einen lieblichen Geruch, so gäbe es in Israel Menschen, die sowohl gelehrt sind als auch ihren Glauben leben. Wie die Früchte des Palmzweigs zwar Geschmack haben, aber geruchlos sind, so gibt es in Israel Menschen, die zwar gelehrt sind, aber ihren Glauben nicht leben.

Wie die Myrtenzweige zwar einen lieblichen Geruch haben, aber ungenießbar sind, so gibt es Menschen, die gute Werke tun, aber keinerlei Gelehrsamkeit besitzen.
Wie die Weidenzweige weder essbar sind noch einen angenehmen Geruch verbreiten, so gibt es Menschen, die weder gelehrt sind noch gute Werke tun. Aber alle gehören zusammen.
Denn wie es heißt: G'tt - die Heiligkeit G'ttes sei gepriesen - sagt: Damit Israel nicht untergeht, lasst sie alle zusammengebunden sein, wie die Pflanzen zu einem Bund zusammengebunden sind, so dass die Gerechten unter ihnen für die anderen Sühne bewirken. Und auf uns bezogen, erinnerte uns Jalda, das auch wir selbst oft das eine und das andere sind und nur in allem zusammen ein Segen. Und so hatten wir für den Etrog die Quitte von Jaldas Baum auf unserem Feld. Für den Palmenzweig gab es den Zweig einer Palme im Topf,  es  gab die ortsübliche Weide aus Ritas Garten und die Myrte von einem Blumentopf. All diese Zutaten für den Lulav haben wir selbst geerntet von Feld und Botanicum und die Idee, die Dinge zu ersetzen, stammt, wie mir Anna schrieb, von Rabbi Jan Salzman aus Vermont USA, jetzt Rabbi in Burlington USA.

Noch ein Exkurs zu den Rabbis: Diese sagen, dass alles, was auf der Erde existiert, sein spirituelles Gegenstück im Himmel habe. Wenn man das an Sukkot bedenkt, fragt man sich, ob nicht G’tt in einem spirituellen Sinne auch eine Sukkah hätte. Und wenn dem so wäre, was benutzt ER für das s’chach, für das Dach über dem Gebilde oben? Wir benutzen die abgeschnittenen Stiele mit Blättern der Kürbispflanzen unseres Feldes. Die Reste unserer Ernte.
Während Rosh Hashanah, den Tagen der Umkehr und Yom Kippur bekennen wir unsere Fehler und Blindheiten vor G’tt. Wir haben das Ziel, diese Fehler zu beheben und uns selbst zu erneuern. Die Rabbis sagen, dass in der Anstrengung, in der wir uns selbst in bessere Menschen transformieren, die Fehler verlassen und Teschuvah tun, jede erkannte Sünde zum Trittstein zum Guten wird.  Jede Übertretung  wird emporgehoben vom niedrigen Platz ihrer Entstehung in eine Position der Ehre, und bringt uns näher zu G‘tt. Vielleicht sind die Hüllblätter und Verschnitte, aus denen das s’chachon, das Dach von G’ttes Sukkah gebaut wird, die Fehler, die wir abgelegt haben? Je hässlicher und niedriger der abgelegte Fehler ist, welcher zum Guten gewendet wurde während Yom Kippur, um desto mehr Simcha (Freude) bringt es zu G’ttes Sukkah.
Es ist doch so: Wenn wir singen und essen und trinken im Schatten der abgelegten Triebe der Pflanzen unseres Gartens und Feldes, inmitten der Früchte des Feldes, sitzt G’tt vielleicht unter dem Verschnitt seines Weingartens und macht ein freudvolles le-chayim mit uns. Und wenn ER das macht, entzückt über Seine Ernte, schaut er durch die Schnitte des vergangenen Jahres und sieht in ihnen nun die Segnungen. Und so essen und trinken wir in der warmen gemütlichen Remise in Gatow, die uns Rita und Uli so schön hergerichtet haben, zehren von Annas und der Ohelistas wunderbaren Sukkahbaukünsten und Jaldas schönem Kaddisch und segensreichen Worten. Wir essen von Ritas wunderbarer Kürbissuppe, die von einem duftenden Holzfeuer im Hof zum Kochen gebracht wurde,  ihren wunderbaren Käsekuchen und genießen unsere anderen mitgebrachten Speisen aus eigener Produktion zu den selbstgebackenen Challe-Broten. Chag Sameach!
 
Text: Romy Koecher          Photos: Anna Adam

Reb Goldie Milgram bei Ohel Hachidusch (8. Oktober 2016)

An Schabbat Schuwa / 6. Tischri 5777 hatten wir wieder einen besonderen Gast.
Rabbi Goldie Milgram.
Es begann mit einer Begrüßung in der Remise und ging dann zu einer wunderbaren Meditation ins Botanikum, dem paradiesischen Ort wenige Meter weiter, welcher mit seiner schier endlosen Fülle an gerade noch blühenden Pflanzen und den herbstlich golden werdenden Blättern der umfassenden Bäume durch Reb Goldie Milgrams Mincha Meditation für uns noch einmal in ganz besonderem Licht aufleuchten liess.  Rita Reinicke hat im großen Garten des Gutshofes ein Botanikum gepflanzt, das in die vier Bereiche Judentum, Christentum, Islam und Buddhismus aufgeteilt ist. Dort wachsen Pflanzen, die in den Texten der jeweiligen Religion erwähnt werden. Im jüdischen Teil des Gartens wachsen Salbei, Granatäpfel, Oliven und Wein. Im buddhistischen Bereich steht ein Ginkgo-Baum, im christlichen Teil steht ein Klostergarten mit Heilkräutern nach Hildegard von Bingen und im islamischen Teil wachsen Minze und wunderschöne Damaszener Rosen.
Reb Goldie Milgram aus Philadelphia (USA)hat zahlreiche Bücher zu aktuellen jüdischen Themen geschrieben. Sie ist für uns keine Unbekannte.  Sie hat uns vor 5 Jahren schon einmal hier in der Remise des Gutshofs Gatow besucht und so haben wir uns sehr darüber gefreut, sie wieder bei uns zu begrüßen und von ihr zu lernen. Für die, die sie noch nicht kennen: Rabbi Milgram wurde vom Reconstructionist Rabbinical College ordiniert, sie gründete und leitet Reclaiming Judaism Press und www.ReclaimingJudaism.org, eine Organisation, die u.a. neue Strategien entwickelt, um jüdische Rituale und Mitzwot lebendig zu halten und zu erneuern.
 Photo: www.facebook.com
Rabbi Milgram schrieb mehrere Bücher und erstellte interessante Materialien zu diesem Thema wie ihre Mizwot- Karten, von  denen sie uns eine reichhaltige Auswahl präsentierte. Es wurde wieder ein spannendes und intensives Lernen für uns und wir erfreuten uns sehr an der Mizwa ihrer Zeit, die sie uns gewidmet hat. Unsere Diskussion mit Reb Goldie ging um Mizwot, aber auch um ihr Gegenteil, um das Nicht-Geben-Können, wie sie es uns in der zum Abschluss erzählten Geschichte von Ashley anschaulich erklärte.
Reb Goldie erzählte: Ashley, die mit ihrem geliebten Randy an einem Traumstrand am Golf lebte, war nicht gerade ein rücksichtsvoller Mensch, eher völlig selbstbezogen. Sie ließ gern die anderen ihr schmutziges Geschirr waschen und hielt es auch mit der Wahrheit nicht so genau. Dafür jedoch blamierte sie stets andere, selbst für kleinste Fehler, sogar wenn sie wusste, dass das eigentlich falsch war, Ashley bereute nichts. Sie entschuldigte sich niemals oder tat Teschuwah. Aber jeden Freitag schrieb sie ihre Sünden und Fehler nieder und tat sie dann einfach nur wie Stücke schmutziger Wäsche in eine Tüte.
Für diese Ashley war Taschlish nur eine Gewohnheit, so etwas , was jeder eben so tat, weil das auch die Eltern schon so gemacht haben. Und so trug sie jedes Jahr zu Rosch HaSchanah ihren prall gefüllten Beutel runter zum Fluss für Taschlich. Sie hatte dabei kaum die leiseste Erinnerung an ihre Vergehen, die sie da fortschwimmen ließ. Aber auch für sie gibt es immer noch die Möglichkeit zur Umkehr.  Es ist adaptierte Jonageschichte, die wir da mit Spannung hörten. Rettung kommt oft auf unerwartete Weise. Ashley erkennt endlich, was sie in ihrem Leben versäumt hat.  Sind wir nicht alle mitunter ein wenig wie Ashley?
Diese tiefen Gedanken konnten wir dann weiter bei einem leckeren Mahl, Ritas wunderbarer Suppe und Kuchen und mit den mitgebrachten Speisen bedenken und miteinander teilen. So gingen wir, später am Abend, erfüllt in die neue Woche und waren gut vorbereitet für Jom Kippur.

Text: Romy Koecher    

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